Uhlig weiter:

58:

Wichtig ..., - scheint mir zu ergründen, was die Tiermalereien in den Höhlen als Ganzes
darstellen. -
Dürfen wir sie mit den Freskenzyklen in romanischen Kirchen oder zentralasiatischen
Höhlen vergleichen, wo der religiöse Charakter ausser Frage steht ?
Ich glaube, ja. -

In den Eiszeit-Höhlen wird die Realität der Zeit, das, was den Menschen als Lebendiges
umgibt, verewigt. -
Aus Wandel wird Bestätigung. -
Das Leben erhält eine Dimension jenseits des Zufälligen. -

Das Auf- und Untertauchen von Tieren

- von Tierherden in der Natur,
- ähnlich dem Auf- und Untertauchen der Gestirne,

- "wird in das Erlebnis
einer ständig möglichen Begegnung verwandelt",

- die sich im Höhleninneren
wahrscheinlich bei besonderen Anlässen

kultisch vollzogen hat". -

Es geht "um die Bannung des vergänglichen Tieres

in die ewige Gegenwart eines Mysteriums". -

Damit ist natürlich auch ein Stück "Jagdzauber" verbunden. -
Aber nicht in der vordergründigen Weise, wie das von den ersten Erklärern
der Höhlenbilder angenommen wurde. -

Die "Tiere in der Höhle" sind nicht "die Tiere des Jägers, - nicht die sterblichen Tiere". -
Es sind "die Tiere der Grossen Mutter", die sich in Gruppen um sie scharen im Zentrum
der Erde, im kosmischen Mittelpunkt allen Seins, als den man die ausgemalte Höhle begreift. -

Sie ist auch "der Ort der Begegnung zwischen Mensch und Tier jenseits der auf der Jagd
gegebenen Konfrontation". -
- Selbst verletzte Tiere finden hier Schutz und Aufenthalt. -
Das ist die verbindende, heilsame Wirkung des Mutterschosses. -

59:

Auch dem Tier wird,

- als mütterlicher Wunsch und im Bild gestalteter Realität,
Geburt und Wiedergeburt trotz des vorausgegangenen, meist gewaltsamen Todes zuteil. -

Hier kommen Gedanken auf,

die jenseits des mütterlichen Wirkens und Tuns,
auch jenseits des realen Geburtsvoranges liegen. -
Sie vervollständigen das in Jahrtausenden gewachsene Bild von der Leben begründenden
und bewahrenden Frau und Mutter, die nun,

- wir wissen weder wann noch wo genau das
geschah,- zur Göttin - zur "Grossen Mutter" - wird. -

In dieser "Urfigur der Grossen Göttin",

- vereinen sich "die Menschenmutter als Gebärende,
Nährende", "die Herdmutter als Bewahrerin des Feuers", -"die Ahnenmutter als die Geburt,
Leben, Tod und Wiedergeburt in sich vereinigende Frau" und schliesslich "die Tiermutter als
Hüterin, Hegerin und Bewahrerin des Ewigen, des Unsterblichen auch in der Tierheit", ohne
die der Mensch nicht überleben könnte". -

So wird "die Dominanz der Göttin über das Männliche, - der Frau über dem Mann" deutlich. -

(Anm.: Die nur im "Urzustand des Hermaphroditen" - ganz zu Beginn, - aufgehoben war. -)

Der vom Bison gefällte, dem Tier unterlegene Jäger ist der Wiedergeborene und deshalb
von der Frau Abhängige. -
Er kann die Tiere im Glücksfall zwar erlegen, Ihr Tiersein aber genausowenig wie sein
Menschsein über das Einzelleben hinaus bewahren. -
Das allein ist Fähigkeit und Funktion der Frau in Ihrem vorübergehenden Erdendasein
wie in Ihrer Symbolgestalt als "Grosse Göttin". -


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"Venus von Lespogue". -

"Venus von Sagivnano". -